Die gesetzliche Einräumung von Widerrufsrechten ist ein wirksames Instrument des Verbraucherschutzes.
Mit der Möglichkeit des Widerrufs können Verbraucher übereilt abgeschlossene Verträge rückgängig machen, sofern es sich um Privatgeschäfte handelt.
Widerrufsrechte gibt es bei Krediten, Onlinekäufen und bei Versicherungsabschlüssen. Kredite können widerrufen werden, wenn sie in die Kategorie der Verbraucherdarlehensverträge nach Paragraf 491 BGB fallen.
Tipps zum Kreditwiderruf
- Üben Sie Ihr Widerrufsrecht immer schriftlich per Einschreiben aus, und bitten Sie um eine Bestätigung.
- Lesen Sie die Vertragsbestimmungen über den Widerruf. Manche Banken gewähren verlängerte Widerrufsfristen bis zu 30 Tagen.
- Entspricht die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben, gibt es keine Fristen. Kredite können gegebenenfalls noch nach Jahren widerrufen werden. In letzter Zeit spricht man in solchen Fällen von Widerrufsjoker. Ihn zu spielen lohnt sich besonders bei Darlehen über hohe Summen oder bei Baufinanzierungen.
- Spielen Sie beim Widerrufsjoker nur mit, wenn sie sich zuvor von Verbraucherzentralen oder Anwälten über die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen in Ihrem speziellen Fall haben beraten lassen. Die Beratungskosten sind gering.
- Wurden vor Ausübung des Widerrufsrechts bereits Vertragsleistungen (Auszahlung der Kreditsumme und Ratenzahlungen) geleistet, werden diese nach bestimmten Grundsätzen rückabgewickelt. Widerrufen Sie deshalb in diesen Fällen Kreditverträge nur, wenn Sie die Ansprüche der Bank entweder aus eigenen Mitteln oder durch Fremdmittel aus einem neuen Kredit erfüllen können.
Verbraucherdarlehensvertrag als Widerrufsvoraussetzung
Verbraucherdarlehen sind Kredite die zwischen einem Unternehmen und einer Privatperson, dem Verbraucher, abgeschlossen werden.
Der Kreditnehmer darf das Darlehen ausschließlich für private Zwecke nutzen. Welche privaten Zwecke das sind, ist unerheblich.
Damit sind Darlehen ausgeschlossen, die im Rahmen einer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit abgeschlossen werden.
Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht grundsätzlich ein 14-tägiges gesetzliches Widerrufsrecht.
Davon gibt es aber wichtige Ausnahmen, bei deren Vorliegen der Widerruf des Kreditvertrages ausgeschlossen ist (Paragraf 491 Abs. 2 BGB):
- So genannte Null-Prozent-Finanzierungen gelten nicht als Verbraucherdarlehen, weil kein Entgelt als Gegenleistung vereinbart wird. Ein Widerruf solcher Verträge war bisher nicht möglich. Dies hat sich jedoch seit März 2016 geändert. Null Prozent Finanzierungen unterliegen jetzt ebenfalls dem üblichen Widerrufsrecht, welches nach Bekanntgabe innerhalb einer Frist von 14 Tagen ausgeübt werden kann.
- Kleinstkredite unter 200 € werden ebenfalls nicht als Verbraucherdarlehen angesehen und können deshalb nicht widerrufen werden.
- Die Pfandleihe ist von den Regeln über Verbraucherdarlehen ausgenommen. Wer also in ein Pfandhaus geht und seinen Schmuck zur Sicherheit eines Pfandkredits verpfändet, dem steht ein Widerrufsrecht nicht zu.
- Die gleiche Regelung gilt für kurzfristige Verträge mit Laufzeiten, die 3 Monate nicht übersteigen. Für solche Verträge gibt es kein gesetzliches Widerrufsrecht.
- Arbeitgeberdarlehen gelten als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag. Sie können also nicht von jeder beliebigen Person abgeschlossen werden. Arbeitgeberdarlehen sind regelmäßig ebenfalls vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Das gilt, wenn die vereinbarten effektiven Jahreszinsen niedriger als die marktüblichen Zinsen sind.
- Öffentliche Förderdarlehen zum Wohnungsbau oder zur Berufsausbildung (KfW) sind nicht widerrufsfähig, sofern die Bedingungen günstiger als die marktüblichen Konditionen sind und höchstens der marktübliche Sollzins vereinbart wird.
Widerrufsfrist
Die gesetzlich festgelegte Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Voraussetzung ist zunächst, dass ein Kreditvertrag zustande gekommen ist.
Widerrufen werden kann natürlich nur ein bestehender Vertrag. Ein rechtsgültiger Kreditvertrag allein reicht jedoch nicht aus, um die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.
Erforderlich dafür sind zwei weitere Voraussetzungen (Paragraf 356 b BGB).
Die Frist beginnt erst, nachdem der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die für diesen vorgesehene Vertragsurkunde, eine Abschrift der Vertragsurkunde oder einen schriftlichen Kreditantrag im Original oder in Abschrift zur Verfügung gestellt hat.
Vollständige Vertragsurkunde
Zudem müssen die dem Kreditnehmer überlassenen Unterlagen die nach Paragraf 492 Abs. 2 BGB vorgesehenen Pflichtangaben eines Verbraucherdarlehens enthalten.
Welche das sind, das wiederum ergibt sich aus Art. 247 Paragrafen 6-13 EGBGB: Hier sind die wichtigsten Pflichtangaben:
Der Vertrag muss aus sich selbst heraus verständliche Angaben über die Art des Darlehens, den effektiven Zinssatz, den Sollzinssatz, den Nettodarlehensbetrag, den Gesamtbetrag, die Vertragslaufzeit, die Auszahlungsbedingungen und über Einzelheiten zu den Teilzahlungen enthalten.
Darüber hinaus sind Angaben über Verzugszinsen und Warnhinweise zu den Folgen ausbleibender Zahlungen erforderlich.
Vor allem bei Baufinanzierungen sind Regelungen über Vorfälligkeitsentschädigungen von Bedeutung. Verbraucherdarlehensverträge müssen nach Art. 247 Paragraf 7 Nummer 3 EGBGB Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten, sofern die Bank eine solche bei vorzeitiger Tilgung des Darlehens geltend machen will.
Fehlen Pflichtangaben, beginnt die Widerrufsfrist erst mit der ordnungsgemäßen Nachholung der fehlenden Informationen. Die Widerrufsfrist beträgt in diesen Fällen einen Monat (Paragraf 356b BGB).
Die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung
Die Bank muss dem Darlehensnehmer die Widerrufsbelehrung schriftlich zusammen mit den Vertragsunterlagen zur Verfügung stellen.
Gesetzlich gefordert werden Angaben zum Fristbeginn, zum Verfahren und zum erforderlichen Inhalt eines Widerrufs:
Der Widerruf muss in Textform erfolgen (Brief, Fax oder E-Mail).
Darüber hinaus ist der Hinweis erforderlich, dass die rechtzeitige Absendung des Widerrufs zur Fristwahrung genügt und an wen der Widerruf zu richten ist. Schließlich muss auf die Rechtsfolgen des Widerrufs aufmerksam gemacht werden.
Oft bedienen sich Banken vorformulierter Texte als Anlage zum eigentlichen Kreditvertrag.
Eine Beschreibung des Widerrufsrechts findet man dann in der Anlage „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ unter „Widerruf“ und bei Internetkrediten darüber hinaus unter „Zusätzliche Informationen zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen“.
Rechtsfolgen bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung
Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung setzt die Widerrufsfrist nicht in Gang.
Dies hat zur Folge, dass Verbraucherdarlehensverträge noch Jahre nach Vertragsschluss widerrufen werden können.
Praktische Bedeutung hat das zeitlich unbegrenzte Widerrufsrecht bei mangelnder Belehrung bei Baufinanzierungen aus den Jahren 2002 bis 2010 erlangt.
Während dieser Zeit haben die Banken bei der Formulierung von Widerrufsbelehrungen gravierende Fehler gemacht.
Der Widerrufsjoker lohnt sich unter zwei Gesichtspunkten:
Teure Altkredite können noch vor Ablauf der Zinsbindungsfrist bzw. vor Ablauf der Zehnjahresfrist in einen zinsgünstigen Baukredit umgeschuldet werden, und die Umfinanzierung kann erfolgen, ohne dass bei der Ablösung des Altkredits eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt.
Gegenwärtig (Dezember 2015) ist das Spiel mit dem Widerrufsjoker noch möglich. Es scheint aber Bestrebungen zu geben das Widerrufsrecht bei Altverträgen einzuschränken.
Das berichtet beispielsweise die Zeitschrift test.de. Wird ein entsprechender Gesetzentwurf beschlossen, kann nach dem 20. Juni 2016 Schluss mit dem Widerrufsjoker sein.
Das entsprechende Gesetz wurde unterdessen beschlossen und gilt ab 21. März 2016. Der Widerrufsjoker ist jetzt noch bis zum 20. Juni 2016 möglich.
Danach wird das ewige Widerrufsrecht abgeschafft. Die Maximalfrist beträgt jetzt nur noch ein Jahr und 14 Tage.
Ausübung des Widerrufs und Musterschreiben
Der Widerruf von Verbraucherdarlehensverträge muss in Textform geschehen. Aus dem Inhalt muss sich der Wille, den Kreditvertrag zu widerrufen, deutlich ergeben.
Eine Begründung des Widerrufs ist hingegen nicht erforderlich. Die Widerrufsfrist ist gewahrt, wenn der Widerruf innerhalb der Frist abgesendet wird. Auf den Empfang kommt es also nicht an.
Aus Beweissicherungsgründen empfiehlt es sich, den schriftlichen Widerruf per Einschreiben zu versenden. Hier ein einfaches Muster:
Briefkopf mit Namen des Kreditnehmers, genauer Anschrift, Ort und Datum
Betreff: Widerruf des Darlehensvertrages (genaue Bezeichnung mit Aktenzeichen und Vertragsdatum)
Sehr geehrte Damen und Herren,
vorgenannten Kreditvertrag widerrufe ich innerhalb der gesetzlich vorgesehenen (bei vertraglicher Verlängerung: innerhalb der vertraglich vorgesehenen) Frist.
Bitte bestätigen Sie mir schriftlich den Empfang des Widerrufs.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
Die Rechtsfolgen des Widerrufs
Wurden zum Zeitpunkt des Widerrufs noch keine Leistungen ausgetauscht, wird der Vertrag ohne weiteres Zutun hinfällig.
Die Bank zahlt das Darlehen nicht aus und der Kreditnehmer muss demzufolge auch nichts zurückzahlen.
Wurden Leistungen ausgetauscht, müssen diese rückabgewickelt werden. Hat die Bank den Darlehensbetrag bereits ausgezahlt, ist der Darlehensnehmer verpflichtet diesen binnen 30 Tagen zurückzugeben.
Darüber hinaus muss der Darlehensnehmer den erhaltenen Betrag für die Zeit der Überlassung verzinsen.
Die Zinsen werden taggenau berechnet und sind abhängig vom vertraglich vereinbarten Sollzins.
Manche Banken verzichten allerdings auf eine Verzinsung bei Widerruf. Ob dies der Fall ist, kann im Kreditvertrag in der Regel unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ nachgelesen werden.
Bei Verträgen, die bis zum 12.6.2014 abgeschlossen wurden, ist nicht der vertragliche Zinssatz ausschlaggebend, sondern der marktübliche Zinssatz.
Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus der jeweils zutreffenden Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank.
Hat der Darlehensnehmer bereits Raten gezahlt verringert sich der Rückzahlungsanspruch der Bank um den entrichteten Tilgungsanteil. Zudem muss die Bank die erhaltenen Zinsen erstatten.
Widerruf des Kreditvertrages bei gleichzeitig abgeschlossener Restschuldversicherung
Wurde eine Restschuldversicherung zusammen mit dem Kreditvertrag abgeschlossen, gibt es zwei Möglichkeiten.
Es kann sich um einen sogenannten verbundenen Vertrag handeln oder um eigenständige Geschäfte.
Verbunden sind beide Verträge, wenn Kredit und Restschuldversicherung eine Einheit bilden, und das eine Geschäft nicht ohne das andere Geschäft abgeschlossen worden wäre. Jedenfalls dann sind beide Verträge unzertrennlich miteinander verbunden.
Bei verbundenen Verträgen genügt eine rechtswirksame Widerrufserklärung, um beide Verträge aufzulösen.
Restschuldversicherungen haben eine Widerrufsfrist von 30 Tagen.
Wird innerhalb dieser Frist widerrufen, bezieht sich das ebenso auf den Kredit. Stellen Kredit und Restschuldversicherung hingegen eigenständige Geschäfte dar, sind zwei gesonderte Widerrufserklärungen erforderlich.
Kompliziert ist die Frage, wie geleistete Versicherungsprämien zu erstatten sind.
Diese Frage ist sehr praxisrelevant, weil die Versicherungsprämie oft als Einmalbetrag erhoben und mit den Kreditraten verrechnet wird. In dem Einmalbetrag sind dann alle Abschlusskosten und Provisionen enthalten.
Unstreitig ist wohl, dass die Bank anteilige Versicherungsbeiträge ab dem Zeitpunkt des Widerrufs erstatten muss.
Nicht klar ist, ob die gesamten Prämien erstattet werden müssen. Einige Gerichte vertreten die Auffassung, dass lediglich die Hälfte der Versicherungsprämien erstattungsfähig sind.
Widerrufsjoker bei Scheidung und Vermögensauseinandersetzung
Im Rahmen von Trennung und Scheidung ist häufig die Veräußerung von Hauseigentum nicht zu umgehen.
In diesen Fällen besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung langfristiger Immobilienfinanzierungen. Allerdings können Vorfälligkeitsentschädigungen entstehen.
Mit dem Widerrufsjoker bei mangelhafter Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag können solche Vorfälligkeitsentschädigungen unter Umständen vermieden werden.
Zudem wird nur der Marktzins fällig, sofern der Kreditvertrag vor dem 13.6.2014 abgeschlossen wurde. Der Marktzins kann deutlich günstiger sein als der vertraglich vereinbarte Zinssatz.
Wie oben bereits erwähnt, könnte allerdings zur Mitte des Jahres 2016 das Aus für den Widerrufsjoker kommen.